Religion Jesidentum
Jesidinnen und Jesiden
In Niedersachsen leben nach Schätzungen etwa 30.000 Jesiden, insbesondere in den Regionen Celle, Oldenburg und Hannover. Neben ›Jesiden‹ sind auch die Bezeichnungen ›Yeziden‹, ›Eziden‹ oder ›Ezidi‹ gebräuchlich.
Die Herkunft des Namens ist unsicher. Eine gängige Theorie führt ihn auf das kurdische ›Ye-Ez-da‹ zurück, was so viel bedeutet wie ›Der, der mich erschaffen hat‹ und für Gott den Schöpfer steht.
Die Gesamtzahl der Jesiden wird auf etwa eine Million geschätzt. Ihre Hauptsiedlungsgebiete sind die Region um die Stadt Shingal und nahe Mossul im Nordirak. Nördlich davon befindet sich das religiöse Zentrum Lalish. In der Mitte dieser Säule sehen Sie eine Nachbildung.
Die jesidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln weit in die Geschichte zurückreichen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Allmacht Gottes betont. Anders als für Juden, Christen und Muslime, die auch einen ›Teufel‹ oder ›Satan‹ kennen, gibt es für Jesiden keinen Widersacher gegen den göttlichen Willen. Wer den Namen dieser angeblich widergöttlichen Kraft ausspricht, begeht nach jesidischer Überzeugung eine Gotteslästerung.
Nach jesidischem Menschenbild ist der Mensch für sein Wirken in erster Linie selbst verantwortlich. Gott hat ihm die Möglichkeit gegeben, zu sehen, zu hören und zu denken. Er hat ihm den Verstand gegeben und damit die Möglichkeit, den richtigen Weg zu gehen.
Als Jeside wird man geboren. Eine Konversion zum Jesidentum ist nicht vorgesehen. Dies schließt aus, dass Jesiden missionarisch tätig werden und Angehörige anderer Religionen bekehren wollen. Die Vorstellung, die eigene Religion sei die einzig wahre, ist ihnen fremd. In einem viel zitierten jesidischen Gebet heißt es: »Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns.«
Eine zentrale Bedeutung in der jesidischen Religion hat Tausi- Melek. Symbolisiert wird er durch einen Pfau. Nach jesidischer Überlieferung hat Gott aus seinem Licht Tausi-Melek und sechs weitere Engel erschaffen. Nach der Erschaffung des Menschen erkor Gott Tausi-Melek zum obersten Engel.
Seit dem 12. Jahrhundert gibt es innerhalb der jesidischen Gemeinschaft eine von Generation zu Generation weitergegebene Einteilung in Laien (Muriden) und Familien mit besonderen Aufgaben in der religiösen Unterweisung und Betreuung (Sheikhs, Pire). Nach der Überlieferung sind Jesiden verpflichtet, innerhalb der eigenen Gemeinschaft zu heiraten. Die für dieses System geläufige Bezeichnung ›Kasten‹ ist nach Auffassung vieler Jesiden irreführend. Mit dem indischen Kastensystem hat sie wenig gemein.
In ihren Heimatgebieten im Vorderen Orient waren und sind die Jesiden schwerer Verfolgung ausgesetzt. Beruflicher und politischer Aufstieg war ihnen in aller Regel verwehrt. Immer wieder kam es zu Vertreibungen, Morden und Pogromen. Die Verfolgung hat eine ethnische und eine religiöse Ursache. Zum einen sind Jesiden in der Regel Kurden. Zum anderen gelten sie in den Augen von Islamisten als ›Ungläubige‹. Im August 2014 begann der blutige Vernichtungszug des ›Islamischen Staates‹ gegen die Jesiden. Heute leben fast alle ehemals türkischen und viele ehemals syrische und irakische Jesiden in Westeuropa, überwiegend in Deutschland.